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Bonsai-Meditation (1/5)

Heute habe ich mir vorgenommen einen Wacholder zu gestalten. Bei Ankunft im Bonsaigarten schaue ich mir zunächst jeden meiner Schützlinge an und prüfe deren Zustand und Bodenfeuchtigkeit. Nun betrachte ich meinen Arbeitsplatz. Diesen habe ich so in den Garten eingebettet, dass ich mich wohl fühle. Herumliegende, die Harmonie störende Gegenstände werden weggeräumt. Mit dieser Reinigung geht eine Veränderung in meiner Haltung einher. Meine Aufmerksamkeit steigt. Es bildet sich eine Art energetischer Kreis. Innerhalb dieser Grenzen geht es jetzt nur noch darum zu lernen, zu empfinden und zu staunen.
Ein Wacholder steht vor mir. Die eigentliche Gestaltung beginnt mit einer eingehenden Betrachtung des noch buschähnlichen Gewächses. Beim Aussuchen in einer Baumschule war mir der hervorragend gewachsene Stamm aufgefallen. Jetzt gilt es eine Ansichtsseite zu finden, in der der Stamm gut zur Geltung kommt. Je länger ich den Baum betrachte, desto besser gelingt es mir, meine Aufmerksamkeit nur auf diese eine Sache auszurichten. Spätestens jetzt empfinde ich Entspannung.

Es entsteht ein Focus. Alles was mich stören könnte, Gedanken, Angst, Probleme, ist jetzt außerhalb des Kreises. Innerhalb klärt sich mein Blick für das Wesentliche.
Die Vorstellung vom zukünftigen Aussehen des Baumes wird immer klarer. Mit dem ersten Schnitt kürze ich die Spitze auf einen etwas darunter befindlichen Ast ein. Dabei ist zu beachten, dass die Proportion von Tachiagari (Bereich vom Wurzelansatz bis zum ersten Ast) und Krone in einer harmonischen Beziehung zueinander stehen. Nun wird der Ast nach oben gedrahtet, bis zu dem ich eingekürzt habe. Er wird zur neuen Spitze des Baumes.
An jeden Gestaltungsschritt schließt sich eine erneute Gesamtbetrachtung des Baumes an. Durch das Einkürzen haben sich neue Proportionen ergeben. Die meisten Äste sind nun zu lang und müssen eingekürzt werden.

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